Backstage: Telekom verliert Millionen-Klage

Thilo
25.10.2013 24 3:30 min

tl;dr Telekom Deutschland schikaniert Partner-Telefongesellschaften der sipgate durch erheblichen wirtschaftlichen Druck. Einer der Partner, das Unternehmen [netzquadrat], gewann nun eine Millionenklage vor dem Landgericht Köln.

Nicht alle Jubiläen machen gleich viel Freude. Ziemlich genau 10 Jahre ist es nun her, dass wir die ersten Grundsteine für sipgate legten und in einem kleinen Kreis mit den unterschiedlichsten VoIP-Architekturen experimentierten, um ein Produkt an den Markt zu bringen. Eine Zeit an die sich alle Beteiligten gerne erinnern.

Fast 10 Jahre sind es aber inzwischen auch, in denen Telekom Deutschland Gespräche mit sipgate über die Zusammenschaltung der Telefondienste verweigert hat. Statt Freude können wir uns hier bestenfalls Anerkennung für eine gewisse Konstanz abringen.

Nicht zuletzt diese 10 Jahre anhaltende Verweigerungshaltung seitens Telekom hat dazu geführt, dass sipgate gezwungen war, Zulieferer zu finden – beispielsweise um weltweit erreichbare Rufnummern für Kunden schalten zu können. Einige dieser Zulieferer hat das hinter sipgate stehende Team sogar extra gründen müssen.

Diese Zulieferer setzt Telekom Deutschland seit einigen Jahren gezielt unter Druck, um sie wirtschaflich zu schwächen und um innovative sipgate-Produkte zu verhindern. Um zu verstehen, wie dieser Druck entsteht, muss man ein wenig hinter die Kulissen des Telefonmarktes schauen. Entscheidend ist die Art wie sich Telefongesellschaften in Deutschland gegenseitig für die Durchleitung von Gesprächen zwischen Ihren Teilnehmern entlohnen. In Deutschland zahlen Telefongesellschaften nämlich dafür, Anrufe der eigenen Kunden zu dem angerufenen Kunden durch dessen Netzbetreiber „durchstellen zu lassen“.

In aller Regel sind die dafür gezahlten, so genannten Interconnection-Entgelte (kurz: IC-Entgelte) für fast alle Netzbetreiber in etwa gleich und damit ein „Null-Summen-Spiel“ – zumindest immer dann, wenn die eigenen Kunden soviel angerufen werden wie sie selbst anrufen. Dann nämlich schreiben sich Netzbetreiber gegenseitig ungefähr gleich hohe Rechnungen, die sich faktisch aufheben. Eine Ausnahme stellen lediglich Mobilfunknetzbetreiber dar, denen der Regulierer seit eh und je höhere Entgelte als Festnetzbetreibern zugesteht (und damit faktisch die Festnetzgesellschaften zu einer Subventionierung der Mobilfunknetzbetreiber zwingt).

Über all dem wacht die Bundesnetzagentur und kann nach festgelegten Regeln dafür sorgen, dass die zwischen den Telefongesellschaften berechneten IC-Entgelte nicht aus dem Rahmen fallen. Das System funktioniert in aller Regel recht geräuscharm und hohe IC-Entgelte sind vor allem börsennotierten Unternehmen recht, da sie diese als Umsatz ausweisen können. Die hohen IC-Entgelte werden jedoch in dem Moment zu einem Problem, wenn sie nur einseitig gezahlt werden.

Genau diese Position erzwingt Telekom Deutschland, indem Sie sipgates Zulieferern nicht die diesen zustehenden IC-Entgelte zahlt, aber andererseits die eigenen IC-Entgelte in voller Höhe in Rechnung stellt. In beiden Richtungen sitzt Telekom Deutschland am längeren Hebel. Weder kann sipgate darauf verzichten, dass die eigenen Kunden aus dem Netz von Telekom erreichbar sind (also die Leistung verweigern), noch kann sipgate die Rechnungen der Telekom entsprechend kürzen, da sonst Telekom die Leistung einstellen würde.

Im Ergebnis werden sipgate Zulieferer dazu gezwungen über Jahre erheblich in Vorleistung für die eigenen Kunden zu gehen und die nicht gezahlten Beträge einzuklagen. Im Falle des Zuliefers [netzquadrat] gibt es jetzt eine erste erfreuliche Wendung: In einem diese Woche zugestellten Urteil wurde festgestellt, dass die Telekom zu Unrecht einen Millionenbetrag nicht gezahlt hatte.

Bei aller Freude über das Ergebnis: zwar ist dies ein erster Schritt in die richtige Richtung. Betroffen von der Strategie sind aber auch die Unternehmen purpur Networks und unsere MVNO-Schwester sipgate wireless. Neben dem Einklagen der verweigerten Zahlung, ist ein weiteres Ziel mindestens genauso wichtig: dafür zu Sorgen, dass ein faktisch marktbeherrschendes Unternehmen nicht mittels vorgeschobener Gründe kleinere Wettbewerber schikaniert. Hierzu bedarf es einer starken (und handelnden) Reguliererungsbehörde und dem politischen Willen, Wettbewerb sicherzustellen. Scheitert es daran, bleibt Kunden auf Dauer nur eine „Alternative“: die „graue Post“ – eine Staatstelefongesellschaft ohne Wahlmöglichkeiten für die Bürger.

24 Kommentare


Denis:

Solche Aktionen sind natürlich unfair, aber bei großen Unternehmen (egal in welcher Branche man sich befindet) leider Standard. Glückwunsch zu diesem Urteil, auch wenn es für euch bzw. euren Partnern noch ein langer/harter Weg werden dürfte.

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Burki:

Ich sehe es mal so: Innovative Ideen wecken auch einen müde vor sich hin schnarchenden rosaroten Panter. Da wagt sich doch wirklich einer an sein Futter!!! Das geht ja nun gar nicht ;) Dem werd ich doch gleich mal eine …
Autsch, der schlägt zurück! Wie das wohl ausgeht?

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Norbert:

@ Rene Bartsch

Hast du eine Quelle für die Story? Ich finde da nichts.

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Herbert Wonne:

Hallo sipgate Team,

das freut mich für euch. Schon länger verfolge ich Euer bemühen innovativer Produkte.

Während ich die Einmstellung von Sipgate one noch nachvollziehen konnte, finde ich die Einstellung der VOIP-Funktion von Sipquadratmehr als ärgerlich. Ich habe SimQuadrat genau aus diesem runde vielen Bekannten empfohlen, einigen bereits eingerichtet. Im Gegensatz zu Sipgate one lag hier auch kein Betaprodukt vor. Warum dieser Schritt?

die fehlenden Kontinuität ist sehr ärgerlich und unprofesionell. Ich werde zukünftig nicht mehr zu sigateprodukten raten. Zumal die Verbidungsentgelte nicht sehr günstig sind.

Schade, das alles was vielversprechend klangt schneller eingestellt wird, als man sich vorstellen kann. Anstatt hier – erfreulich Siege zu feiern – solltet Ihr aufpassend das Euch selbige nicht zu Kopf steigen.

Chance verpasst. Schade!

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