Backstage: Das Handynummern-Kartell

Thilo
31.10.2012 11 3:09 min

Im Zuge der Telogic-Abschaltung haben wir allen Testkunden des Produktes sipgate one neue Rufnummern aus dem Block 01579 zugeteilt. Zur Erinnerung: Unter anderem bedingt durch die vorläufige Insolvenz unseres Zulieferers Telogic, stehen Rufnummern aus dem Block 01570 leider nicht mehr zur Verfügung. Die naheliegende Frage an dieser Stelle lautet natürlich: Warum können diese Rufnummern nicht über einen anderen Anbieter angebunden werden?

Die traurige, aber richtige Antwort: „Weil es ein von der Bundesnetzagentur eingerichtetes Kartell verhindert.“

Wie schon an anderer Stelle zum Thema Handynummern, erlauben wir an dieser Stelle abermals Einblick hinter die Kulissen.

Es könnte so schön und einfach sein: Durch die Möglichkeit, Rufnummern von einem Anbieter zu einem anderen zu bewegen, könnten Endkunden schnell Ihren Anbieter wechseln und der Wettbewerb würde gestärkt.

Für Endkunden funktioniert dieses Verfahren im Grossen und Ganzen – wenn auch nicht so schnell und reibungslos wie es sich mancher Kunde wünschen würde.

Der Wettbewerb wird jedoch leider nicht gestärkt, sondern nachhaltig geschädigt. Wie wir erleben mussten, können neue Anbieter nicht ohne weiteres an dem etablierten Verfahren teilnehmen, was de facto einen Markteintritt verhindert.

Bei der Einführung der Möglichkeit, Handynummern von einem Anbieter zu einem anderem mitzunehmen, hat die Bundesnetzagentur darauf gedrängt, dass die technische Umsetzung des Verfahrens „von der Industrie“ bereitgestellt wird. Hierzu wurden die am Markt tätigen Unternehmen aufgefordert, ein gemeinsames Unternehmen zu gründen, das diese so genannte Portierung anbietet. Auf dieses Weise wurde vor geraumer Zeit ein Kartell, die MNP GbR, geschaffen, deren Gesellschafter die Telekom Deutschland, Vodafone, E-Plus und Telefonica wurden.

Anders als bei der Portierung von Festnetzrufnummern wurde durch diese Ausgestaltung der Lösung allerdings gezielt verhindert, dass es mehrere Unternehmen im Markt geben kann, die eine solche Lösung anbieten. Mit anderen Worten: Jeder Anbieter, der Handynummern anbieten möchte, muss auf die Dienste dieses einen Unternehmens zurückgreifen.

So hatten wir vor einem Jahr den seinerzeit von der MNP GbR öffentlich angebotenen Vertrag für neue Netzbetreiber unterzeichnet (das Angebot wurde zwischenzeitlich aus dem Internet entfernt – die MNP GbR hat Stand heute keine Website mehr). Der erste Monat verging ohne Rückmeldung. Wie sich herausstellte, hatte die MNP GbR unser Einschreiben „verbummelt“.

Auf unsere Rückfrage teilte uns die MNP GbR dann folgendes mit:

  • Der Vertrag zur Portierung von Handynummern werde nur Gesellschaftern der GbR angeboten.
  • Eine Aufnahme unseres Unternehmens als Gesellschafter lehne die GbR ab.

Anders gesagt: Blast uns am Schuh!

Die nachfolgenden sechs Monate verbrachten wir mir viel unproduktivem Hin und Her. Letztlich führte erst eine informelle Intervention der Bundesnetzagentur zu einem Vertragsabschluss.

Zwar haben wir unsererseits die technischen Voraussetzungen für die Portierung geschaffen, allerdings verweigert die MNP GbR weiterhin die Inbetriebnahme der Portierung. Die MNP GbR besteht – durchaus nachvollziehbar – auf einen ausführlichen Test unserer Technik. Sie weigert sich jedoch, diesen Test durchzuführen. Wir mögen uns selbst einen Testpartner suchen. Die uns nunmehr gestellte Aufgabe lautet:

„Überredet einen Mobilfunknetzbetreiber, mit Euch zu testen.“

Selbstredend haben bereits alle Mobilfunker auf unsere Anfrage abgewunken. So ist es uns leider auch ein Jahr später nicht möglich, die über Telogic nicht mehr zu erreichenden Handynummern des 01570er Blockes aus unserem Produkt sipgate one zu übernehmen und wieder erreichbar zu machen.

Dies ist weder im Sinne der Endkunden, noch im Sinne des Wettbewerbs. Es ist dringend angebracht, an dieser Stelle eine funktionierende Lösung zu schaffen.

11 Kommentare


Rene Bartsch:

Da die Bundesnutzlosagentur das Kartell Telekom/Vodafone/KPN/Telefonica gegen Konkurrenten abschirmt und nur reagiert, wenn in Brüssel die große Wettbewerbskeule geschwungen wird, bleibt Euch eigentlich nur die Möglichkeit, proforma eine Beschwerde mit Fristsetzung bei der Bundesnutzlosagentur einzureichen und bei erwartungsgemäßem Verstreichen der Frist direkt auf EU-Ebene zu gehen.

Leider sitzen bei der Bundesnutzlosagentur größtenteils „Beamte“ des vorigen Jahrhunderts, die lieber mit drei Paragraphen begründen, dass sie nichts tun können, als ihren Kopf produktiv zu nutzen.

Deshalb haben wir im Telefonnetz auch noch die beschränkten Routingmöglichkeiten den zwanzigsten Jahrhunderts. Bei ENUM und 0700 haben die bösen Teilnehmernetzbetreiber doch glatt nicht mitgemacht …

Wenn es so weitergeht, bleibt nur noch die Möglichkeit, die Netzneutralität mit Freifunknetzen durchzusetzen, auf P2PSIP zu wechseln und das PSTN dahinsiechen zu lassen.

antworten

r2d2:

“Überredet einen Mobilfunknetzbetreiber, mit Euch zu testen.”

Muss es ein Mobilfunknetzbetreiber aus Deutschland sein bzw. Mitglied der MNP GbR?!

Es gibt bestimmt ein Provider aus dem Ausland der diesen Test gerne, gegen ein Obolus, durchführen würde.

antworten

Christian A.:

Wenn Ihr e-plus schon als Core-Partner für Eure MVNO-Lösung gewonnen habt, müßte man dann nicht wenigstens dort (also bei e-plus) bereit sein, mit Euch die Tests durchzuführen?

Was ist eigentlich mit Lycamobile? Sind die bei der Portierungsdatenbank nicht auch dabei? Die müßten doch eigentlich dieselben Probleme gehabt haben, wie Sipgate? Falls ja, könnte man ja vielleicht mit einem „Leidensgenossen“ zusammenarbeiten?

antworten

Torsten Meyer:

Warum organisiert ihr nicht eine Online Petition an den deutschen Bundestag???

Wäre wohl auch eine gute Publicity für Euch.

antworten

Philipp L.:

Gibt es denn mittlerweile die ein oder andere neue Info wann Sipgate One Nummern allgemein erreichbar sein werden und das Projekt sich auf den Weg machen kann die Beta-Phase zu verlassen?

antworten

Thilo:

@Philipp L. Leider nein. Die Portierung der 01579-Rufnummern ist zwar mittlerweise geklärt, aber die allermeisten Netzbetreiber haben noch kein Routing zu dem Nummernbereich eingerichtet. Insbesondere T-Mobile, Vodafone und O2 sind nicht die allerschnellsten…

antworten

Lutz Köhler:

Hier wird regelmäßig auch von Mitarbeitern gern und regelmäßig auch von unerwegs getestet. Dabei eist aufgefalen, dass durchaus die „Tagesfom“ entscheidet.Waren in der vergangenen Woche bis auf O2 die 01579 aus den Netzen erreichbar geht heute wieder nichts mehr. Das hat dann wohl nichts mit Routing und durchschalten zu tun! Was steckt da technisch, m.M.n. eher organisatorisch dahinter? Wer verschaukelt hier eigentlich wen? ???
Lutz Köhler

antworten

Jens Schröder:

Schöner Versuch eine einheitliche Nummer einzuführen. Dafür gibt es ja auch die 0700-Nummern, die keiner anruft, weil unklar bleibt was der Anrufer bezahlt. Das selbe bei 032er als billige Voip-Out-Nummer OK, aber zurückrufen wird wohl kaum keiner. Die 01212 Innovative Dienste wurden ja auch abgeschafft. Bleibt also wohl nur ne Handy Nummer. Wobei 0150 mal Quam war und 0159 eher zur Telefonika/O2 gehörte.
Also besser ne Perpaid-Sim bei O2 bestellen und zu Sipgate portieren?
Aber das scheint ja auch nicht zu gehen.

antworten

Philipp L.:

Verblüffenderweise kam am 09.02.2013 ein Anruf über sipgate one bei mir rein… eine Providerabfrage ergab, dass der Anruf mich aus dem o2 Netz erreichte.

antworten

AtzeBerlin:

Könnte man wie Jens Schröder schon sagte, eigentlich eine Vorbezahlte SIM eines anderen Unternehmens wie z.Bsp. Vodafone nach SIPgate Portieren ?

antworten

Robert:

Warum funktioniert die 01570… wieder obwohl diese ja auf Grund der Insolvenz nicht mehr zur Verfügung stehen sollte und die neu zugeteilte 01579… ist jetzt nicht erreichbar bzw. dauer besetzt?

antworten

Schreibe einen Kommentar zu Philipp L. Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert