Bundesnetzagentur legt neue MTR-Entgelte fest

Percy
08.12.2016 11 4:00 min

In der vergangenen Woche hat die Bundesnetzagentur eine wichtige Entscheidung bekanntgegeben: Die Terminierungsentgelte für den Mobilfunk (“MTRs”, mobile termination rates) wurden neu festgelegt.

Was sind Terminierungsentgelte?

Terminierungsentgelte sind quasi die Kosten der Anrufzustellung, die die Netzbetreiber untereinander für die Anrufzustellung im eigenen Netz abrechnen können. Jedes Mal, wenn ein Kunde eines Netzes jemanden anruft, der in einem anderen Netz Kunde ist, werden diese Terminierungsentgelte fällig – schließlich übernimmt der andere Netzbetreiber einen Teil der Leistung, nämlich die Anrufzustellung vom Übergabepunkt zwischen den Netzen bis hin zum angerufenen Teilnehmer. Wenn also ein sipgate-Kunde einen Vodafone-Kunden anruft, zahlt sipgate an Vodafone pro Minute einen festgelegten Betrag.

Diese Entgelte fallen sowohl im Mobilfunk als auch im Festnetz an. Regulierte Unternehmen in Deutschland müssen sich diese Entgelte genehmigen lassen. Dabei nimmt die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde an, dass jeder Netzbetreiber Monopolist ist, weil nur er die Anrufe zu einer in seinem Netz geschalteten Nummer zustellen kann (Grundsatz: ein Netz ein Markt). Dies führt zu der für uns etwas aberwitzigen Folge, dass wir hinsichtlich der Terminierung von Gesprächen in unseren Netzen marktmächtig sind (und die Deutsche Telekom vor uns geschützt werden muss).

Kurze Einführung in die Regulierungstheorie

In der ganzen EU gilt die im europäischen Rechtsrahmen zur Regulierung der elektronischen Kommunikation festgelegte Vorgehensweise. Es werden in allen Ländern die gleichen Vorgaben beachtet, aber jeweils von der nationalen Regulierungsbehörde umgesetzt. Die EU-Kommission erstellt in regelmäßigen Abständen eine Märkteempfehlung, in der sie die Märkte der elektronischen Kommunikation auflistet, die potentiell regulierungsbedürftig sind (also z.B. der Markt für Terminierungsleistungen, der Markt für Mietleitungen oder für Teilnehmeranschlüsse an festen Standorten). Aufgabe der nationalen Regulierungsbehörden wie der Bundesnetzagentur ist es dann, zu untersuchen, ob in diesen (und evtl. weiteren) Märkten Wettbewerb herrscht und ggf. Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Zunächst wird in der Marktdefinition festgelegt, welche Leistungen überhaupt zu dem zu betrachtenden Markt gehören (“sachliche Marktabgrenzung”) und ob es regionale Besonderheiten gibt, die für oder gegen eine Regulierung sprechen (“räumliche Marktabgrenzung”). Dann wird anhand dreier Kriterien entschieden, ob der betreffende Markt tatsächlich regulierungsbedürftig ist (“Drei-Kriterien-Test”, beträchtliche und anhaltende Marktzutrittsschranken, auch langfristig keine Tendenz zu wirksamen Wettbewerb und das allgemeine Wettbewerbsrecht ist nicht ausreichend um den Mangel an Wettbewerb zu beheben). Sofern diese drei Kriterien kumulativ erfüllt sind, wird der Markt als regulierungsbedürftig erkannt und das oder die Unternehmen genannt, die marktmächtig sind.

Im nächsten Schritt erfolgt eine Regulierungsverfügung gegen das marktmächtige Unternehmen, in der die nationale Regulierungsbehörde dem dann regulierten Unternehmen einzelne Maßnahmen detailliert vorschreibt, um die erkannten Mängel zu beheben. So ist es beispielsweise üblich, dass Unternehmen verpflichtet werden, eine Zusammenschaltung mit ihrem Netz zu ermöglichen oder dass die Entgelte für eine gewisse Leistung der Regulierung unterworfen werden. Im letztgenannten Fall schließt sich dann noch ein Entgeltverfahren an, in dem die Bundesnetzagentur versucht, anhand geeigneter Maßstäbe ein Entgelt zu finden, das sich auf dem Markt gebildet hätte, wenn es freien Wettbewerb geben würde.

Die Entscheidung der BNetzA

Genau das ist in den Verfahren zu den MTRs jetzt passiert. Die großen Mobilfunknetzbetreiber Telekom, Vodafone und Telefonica sowie die MVNOs Lycamobile, Truphone, Voiceworks und sipgate Wireless wurden nach dem skizzierten Verfahren reguliert und im letzten Schritt wurde das Entgelt neu festgelegt. Dabei legte die Bundesnetzagentur das Entgelt für alle gleich fest:

  • Vom 01.12.2016 bis 30.11.2017: 1,10 Cent pro Minute
  • Vom 01.12.2017 bis 30.11.2018: 1,07 Cent pro Minute
  • Vom 01.12.2018 bis 30.11.2019: 0,95 Cent pro Minute

Wer erfahren möchte, warum die Bundesnetzagentur so entschieden hat, kann ihre Begründung exemplarisch für die sipgate Wireless nachlesen. Aktuell befindet sich das Verfahren noch in der Konsultationsphase. Es kann also noch Stellung genommen werden und die Entgelte sind nur vorläufig gültig.

Die Entgelte wurden relativ deutlich gesenkt. Zuletzt waren bis 30. November 1,66 Cent pro Minute genehmigt; die Terminierung wird also etwa 30% günstiger. Das ärgert die Mobilfunknetzbetreiber, denen ein deutlicher Teil ihrer Umsätze aus dem Interconnectiongeschäft verloren geht und freut die Festnetzbetreiber, die nun weniger Geld für Verbindungen in die Mobilfunknetze bezahlen müssen. Vielleicht sehen wir ja in naher Zukunft mehr Flatrates vom Festnetz in alle Netze – so wie wir sie schon etwas länger anbieten.

11 Kommentare


Stephan:

Die Erklärungen usw sind alles sehr interessant.
Auch das Dokument bei der BNetzA.

Aber nun mal im Ernst:
Warum sind dann die Minutenpreise zum Mobilfunk dann noch so hoch? Warum werden die sinkenden Entgelte nicht auch an die Kunden weitergereicht?

Vom Tarif Sipgate Basic werden vom „Festnetz“ zu Mobil 14,9 ct/min verlangt?!? Ich denke das die Entgelte vom Festnetz zu Mobil auch nicht anders sind als Mobil untereinander.
Das ist doch nun auch nicht mehr zeitgemäß.
Es soll ja auch Leute geben, die einfach nicht soviel telefonieren, dass sie die aktuelle Allnet Flat auskosten könnten.

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Torsten:

Ich bin mal gespannt, ob Eure Prognose stimmt und was sich da im Markt 2017 tut, bei Flatrates vom Festnetz in alle Netze. Und vielleicht gibt es ja auch bei Sipgate Basic neue Festnetz zu Mobil Preise?

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Julian:

Da schließe ich mich den anderen Lesern an. Warum ist Sipgate dann so teuer ins Mobilfunknetz?
14,9ct bei Sipgate Basic sind nicht mehr zeitgemäß! Gut; Die Telekom macht mit knapp 19ct noch mehr Umsatz in Ihren Festnetztarifen zu Mobilfunk, da seid ihr ja noch günstig dagegen. Ist natürlich die Frage wie man das ganze begründen kann, ca 15 mal mehr als die anfallenden Interconnect-Kosten zu verlangen. Einen Aufpreis 10%-20% Aufschlag für Bereitstellung und Anschluss kann ich ja noch verstehen.

Lobenswert habt ihr zusätzlich noch ne Allnet Flat für 9,99 € die lohnt sich ja schon ab 66 Minuten ins Mobilfunknetz

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Percy:

Hallo zusammen, es ist richtig, dass es einen Spread zwischen den Terminierungsentgelten und unseren Endkundenpreisen gibt. Das liegt an mehreren Faktoren: a) Den Verkehr in die Mobilfunknetze übergeben wir an Transitnetzbetreiber, die ihrerseits einen kleinen Gewinn pro Minute machen wollen. Somit zahlen wir also mehr als die regulierten 1,1 Cent pro Minute. b) sipgate basic ist unser grundgebührenfreies Produkt, in dem wir die Marge über die etwas höheren Minutenpreise machen. Mit dem plus-Tarif (https://www.sipgate.de/basic/feature-store/plus-tarif) für 2,95 Euro Grundgebühr lässt sich der Minutenpreis in die Mobilfunknetze auf 9,9 Cent senken. c) Die MTRs sind netto, die Endkundenpreise aber brutto. Somit bleiben von den 14,9 Cent nur 12,5 Cent übrig. d) Die Absenkung der MTRs ist relativ gesehen groß (30%), absolut sind es aber nur 0,56 cent pro Minute, so dass gar nicht so viel Spielraum entsteht. Wir sehen uns die Minutenpreise auch im Vergleich zum Wettbewerb regelmäßig an – unser Geschäftsmodell ist es nicht, der günstigste Anbieter zu sein. Stattdessen wollen wir euch mit guter Qualität zum fairen Preis überzeugen.

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Daniel:

Gute Qualität zum fairen Preis ist schön – aber auch da gibt es hinsichtlich doch sicher genügend Luft nach unten? Z.B. wenn man mit dem Smart L von Simquadrat.de vergleicht, die Billiganbieter starten schon mit monatlichen Gesamtkosten von 7 € und da ist sogar LTE für bis zu 2 GB sowie mehrere hundert Freieinheiten mit drin:

https://www.teltarif.de/tarife/handy/prepaid-und-vertrag/telefon-internet/?dauermin=200&mb=500

Wenigstens aber könnte es einen Smart XL geben, jetzt wo es keine Allnet-Flat mehr gibt. Ich weiß nicht, was die Motivation für die Abschaffung der Allnet Plus Flat war, vielleicht dauertelefonierende Trucker unterwegs in der EU? Die EU-Flat wäre auch gar nicht wichtig, sondern vielleicht 300 oder 400 Einheiten (Min/SMS), die man für Verbindungen zu dt. Rufnummern verwenden kann.

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Michael Weber:

Dem kann ich mir nur anschließen.
Eine Trennung zwischen Minuten Packeten und Daten Packeten wäre auch super.
LTE und internationale Datentarife
wären langsam auch schön.

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Michael Weber:

Wie wäre es mal mit was neuen in Deutschland zb.;
1000 Minuten 50 Euro gültig 1 Jahr
10GB Europa weit 30 Eüro gültig 1 Jahr
5GB Welt 99 Eüro gültig ein Jahr

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Daniel:

Ich glaube, besonders Simquadrat kann gut mit Alleinstellungsmerkmalen punkten. Die Idee mit dem Feature Store ist klasse, aber leider tut sich darin ja nix mehr. Die Trennung von Daten- und Minutenpaket würde dem wieder gerecht werden, zumal man bei den meisten Anbietern mit Bündeltarifen als Vielsurfer aber Wenigtelefonierer viele Freiminuten verfallen lassen muss.
Es sind ja beliebige Lösungen denkbar, z.B. Daten für längere Zeiträume (z.B. 10-20 GB für 6 Monate) oder wenigstens die freie Kombinierbarkeit von mehreren Minutenstufen L 200, XL 400, Flat (DE mobil und Festnetz reicht) mit dem passenden Datenpaket.
Einige Bekannte telefonieren viel, da kein Festnetzanschluss mehr und sagen daher, 200 Freiminuten reichen nicht und damit scheidet Simquadrat seit Abschaffung der Flat schon direkt aus. Sehr schade.

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Christian W.:

Gibt es eigentlich auch irgendwo eine Liste der Terminierungsgebühren für mobile Daten? Mich würde mal interessieren, was ein Provider so für einen GB an Traffic zahlen muss (also mobiles Endgerät Internet).

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