sipgate wird Bauernopfer im Behördenzwist

Thilo
07.04.2014 21 2:56 min

[Update 8.4.2014: Golem hat mehr zum Hintergrund]

Wie wir gerade der Presse entnommen haben, scheint ein seit Jahren schwelender Streit zwischen der EU-Kommission und der Bundesnetzagentur soeben neues Feuer gefangen zu haben. Dabei ist der Streit nicht neu. Neu ist lediglich, dass er zu Lasten des mit Abstand kleinsten (und – ich bin einmal so bescheiden – des innovativsten) Mobilfunkanbieters ausgetragen wird.

Worum also geht es?

Die Bundesnetzagentur entscheidet in gewissen Abständen über die Höhe der so genannten Terminierungsentgelte. Dies sind Entgelte, die der Anbieter eines Anrufers für die Durchleitung eines Gesprächs an den Anbieter des Angerufenen zahlt. In Deutschland hat die Bundesnetzagentur festgelegt, dass alle am Markt tätigen Unternehmen (Telekom, Vodafone, E-Plus, Telefonica, sipgate Wireless, Lyca) Entgelte in gleicher Höhe verlangen können – derzeit in Höhe von 1,79 ct/min.

Dabei ist es der EU-Kommission ein Dorn im Auge, dass die aktuellen Entgelte erheblich über dem Niveau anderer westlicher EU-Ländern liegen. Das ist für einen ausgelichenen Binnenmarkt relevant. Wenn man bedenkt, dass die Anzahl der telefonierten Minuten zwischen zwei EU-Ländern (unabhängig von der Grösse) in aller Regel ausgeglichen ist, so führen die in Deutschland höheren Entgelte faktisch zu einer Subventionierung deutscher Anbieter durch ausländische. Somit muss es ein Ziel der Kommission sein, die genehmigten Entgelte in allen Mitgliedsstaaten möglichst auf gleichem Niveau zu halten, was im Ergebnis dazu führt, dass die Einnahmen eines (ausländischen) Anbieters aus diesen Entgelten in etwa dessen Ausgaben entsprechen. Sprich: Jeder Anbieter zahlt für sich selbst. Soweit so verständlich.

Was sind die Folgen?

Es mag seltsam anmuten, wenn die EU-Kommission Ihre „Erkenntnisse“ per Pressemitteilung ausbreitet – nicht nur, ohne sipgate zu informieren, sondern auch ohne ein einziges Mal Kontakt mit sipgate gesucht zu haben. Noch befremdlicher erscheint die durch Unterschlagung von Informationen künstlich erzeugte Darstellung, dass sipgate bei den Entgelten erheblich über die Stränge schlüge. Schließlich berechnet sipgate exakt die gleichen Entgelte wie alle anderen Marktbeteiligten auch.

Besonders bizarr am Vorgehen der EU-Kommission ist jedoch, dass sie durch die Art des Vorgehens genau die Situation, die sie auf europäischer Ebene lösen möchte, in Deutschland künstlich schafft.

Sämtlichen am deutschen Markt vertretenen Unternehmen (Telekom, Vodafone, E-Plus, Telefonica & Lyca) wurden die Entgelte (in Höhe von 1,79 ct/min.) bereits genehmigt – mit Ausnahme von sipgate. Sollte sich die EU-Kommission im Streit mit der Bundesnetzagentur durchsetzen, könnte sipgate als einziger Anbieter im Markt nur einen Bruchteil der Entgelte berechnen, die sipgate jedoch unverändert an alle anderen Marktbeteiligten zahlen müsste. Sprich: Das von der Kommission angestrebte und in Deutschland funktionierende „Nullsummenspiel“ zwischen Anbietern mit ausgeglichenem Telefonieverhalten verschöbe sich massiv zu Lasten sipgates.

All das spricht für ein merkwürdiges Verständnis von Wettbewerbs- und Innovationsförderung der Kommission. sipgate ist seit inzwischen 10 Jahren aktiv, hat zahlreiche Kommunikationsprodukte neu in den Markt eingeführt (Mobiltelefonie ohne Roaminggebühren, VoIP, Handys mit echter Ortsnetznummer, Telefonanlagen auf Basis von Handys, …) und unterstützt die Ziele der Kommission. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet sipgate als Opfer unter die Räder eines Bürokratiemonsters kommt, das sich europaweit inander verbissen hat.

Schwer beleidigt,

sipgate

21 Kommentare


Bert Grönheim:

Klingt nach einem teuren und langwierigen Fall für euren Hausjuristen. Unverständliche Entscheidung.

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Marco:

Was bedeutet das für Kunden, kann es sein, dass der Service eingestellt werden muss? Wie brauchen Sicherheit.

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Steffen:

@Marco: und woher soll die Sicherheit momentan kommen? Wie oben bereits ausführlich beschrieben ist alles noch in der Schwebe. Wer solch euch da Sicherheit geben können? Ist doch klar, dass sipgate an dem Angebot etwas ändern muss, wenn die Terminierungsentgelte unsymetrisch festgelegt werden.
Ihr habt bei sipgate keine Kündigungsfristen und könnt jederzeit zu einem anderen Anbieter portieren.

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Felix:

Hey,

dann rufe ich eben für jede mit Sipgate raustelefonierte Minute mit meiner T-Mobile Flat zehn wieder eingehend an. ;-)

Wir lassen uns doch nicht die Butter vom Brot nehmen …

Kopf hoch, Felix

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Tim:

Ob es nun im Hause Sipgate einige AfD Wähler mehr gibt? Wundern würde es mich nicht!

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Mike:

Die Frage ist ja auch ob man als „Endverbraucher“ dagegen vorgehen kann und wenn ja wie!

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Andreas:

Felix‘ Idee klingt gut, ich werde dann meine Telefonica-o2-Flatrate auch intensiv nutzen, das Handy hat nachts sowieso nichts zu tun :-D

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Joachim Bartels:

wenn das wirklich nullsummen spiel seine sollte warum wird es dann nicht gleich ganz gekippt ??? doch wohl nur weil sich einige daran eine goldene nase verdienen und / oder dadurch mittbewerber ausgeschlossen werden sollen.

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Anonymous:

Also gegen niedrigere IC-Gebühren hab ich ja nichts… Aber diese dann zuungunsten von Sipgate asymmetrisch festzusetzen, dass wäre abartig.

Solange die Gebührenbescheide für die anderen Anbieter in Kraft sind, sollen in Düsseldorf 1,79 ct/min gelten, genauso wie bei den anderen Anbietern auch!

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Anonymous:

Oh. Ich sehe gerade, ihr habt 3,29 ct/min genehmigt bekommen (wie üblich im Sekundentakt und zzgl. MwSt). Das ist natürlich doch etwas mehr, als die Konkurrenz verlangen darf. Da kann ich gut nachvollziehen, dass die Eurokraten sauer werden – selbst wenn der höhere IC bei einem Unternehmen, dass erst seit kurzem im Markt aktiv ist, vllt gerechtfertigt ist.

Quelle: http://tinyurl.com/k8lmgqb

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Markus:

Wie können wir helfen? Wir als Kunden leiden ja auch darunter. Petition? Unterschriftenkampagne? Kickstarter, um Geld für Rechtsmittel gegen EU zu sammeln?

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uwe:

Also ich finde Tarife meist zu hoch als zu niedrig. Aber für diesen Scherz würde ich sofort 2 Cent die Minute mehr bezahlen. Betrifft soweit ich das erlesen kann nur Telefonate auf Mobiltelefone.
Wenn die meinen Sipgate absägen zu müssen, dann zahle ich gerne mehr die Gesprächsminute.

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Thilo:

Herzlichen Dank für die Unterstützung.

@Joachim Bartels sipgate fordert seit fast 10 Jahren den wechselseitigen Verzicht auf Durchleitungsentgelte (in der Branche „Bill-and-Keep“genannt). Insbesondere von der Deutschen Telekom und den Mobilfunkern kam hier erheblicher Widerstand, weshalb diese Lösung bislang politisch nicht durchsetzbar war.

@Marco Von Unsicherheit für unsere Kunden zu sprechen, geht sicherlich zu weit. Letztlich sprechen wir über einen Betrag von 0,8 ct pro Minute. Im schlimmsten Fall, den wir mit grosser Wahrscheinlichkeit abwenden können, steigen uns Preise um genau diesen Betrag.

@Anonymous Der Link geht auf unseren Antrag – keineswegs auf die genehmigten Entgelte. Dieses beantragte Entgelt setzt sich aus den 1,79 ct/min. zzgl. Kosten zusammen, die uns Telekom Deutschland ebenfalls zusätzlich zu dem regulierten Entgelt in Rechnung stellt. Es handelt sich also um einen anderen Preis. Wir haben hier letztlich eine Gleichstellung mit der Telekom beantragt.

Das Thema ist allerdings zugegebenermasse etwas zu komplex, um es per Blogkommentar zu diskutieren. Zur Klarstellung: in der Sache fordern wir 1,79 ct/min.

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Holger Kröhnert:

Nachdem ich schon „Opfer“ der Einstellung vom Test-Produkt „Sipgate One“ geworden bin, höre ich sowas nicht gerne.

Habe nun alles auf Simquadrat „umgebaut“ und bekomme schon wieder so ein flaues Gefühl im Magen, dass aus „betriebswirtschaftlichen Gründen“ große Veränderungen im Raum stehen und ich wieder alles ändern kann.

Kenne mich zwar nicht wirklich mit der Materie Terminierungsentgelte aus, aber wenn es eine Meldung wert ist, so dürfte es hier nicht nur um eine drohende Preiserhöhung von 1 Cent pro Gesprächsminute gehen?

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Thilo:

@Holger Kröhnert Es stehen sicherlich keine grossen Änderungen an. Bei „sipgate one“ war die Situation insofern anders, als dass wir aus regulatorischen Gründen auf einen einzigen Zulieferer angewiesen waren, an dessen Zuverlässigkeit wir gezweifelt haben – wie sich herausstellte zurechte. Wie haben daher das Produkt von Beginn an als Testprodukt bezeichnet und nie die „Beta“-Phase verlassen.

Bei simquadrat und den sipgate Team Mobilfunkprodukten besteht dieses Problem jedoch nicht.

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Anonymous:

@Steffen: Sipgate ist doch selbst ein Anbieter.

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mwquatschen:

Grüß‘ Euch,

also eigentlich geil. Man muss nur win marodes Staatsunternehmen mit quasi Monopol übernehmen, dann sperrt man alle ausgehenden Anrufe und wartet, dass einem die anderen die Tasche füllen. Das kann es auch nur in dem Markt geben. Der Orange Chef meinte schon, dass sie sich jahrelang so finanziert haben. Die logische Konsequenz ist eine genauso konsequente Abschaffung, da eine asymetrische Festlegung der Entgelte eine wettbewerbswidrige Benachteiligung des einen Anbieters darstellt. Ergo 20 Jahre Rechtsstreit, supi.

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Ralf:

Ihr seid ohne Frage technisch innovativ aber m.E. weniger innovativ, wenn es um die Kommunikation mit Euren Kunden geht – unter anderem daran zu sehen, dass „derzeit“ das Userforum nicht mehr zugänglich ist, aber auch daran, dass dort schon lange niemand mehr von Simquadrat eine Richtung vorgab oder mal einen Kommentar/eine Antwort gepostet hat. Dort hättet Ihr es möglicherweise mehr als hier in der Hand, Kunden/Nutzer zu aktivieren, sich in Eurem Sinne/im Kundensinne zu beschweren.

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Jens:

Leider muss ich da Ralf zustimmen. Die Entwicklung geht leider auch oft am Wunsch der (Privat-) Kunden vorbei. Beispiel SimQuadrat: Meist geäußerter Wunsch der Kunden war es Simquadrat und das klassische Sipgate zusammenzuführen. Dann hat man aber stattdessen mit SipgateGo ein drittes, neues Produkt auf den Markt gebraucht, das aber gleich aussah, hat das kurz danach wieder eingestellt. Dafür dann VoIP bei Simquadrat aktiviert, dann wieder abgeschaltet – zum Glück nicht für Bestandskunden.
Aktuell regen sich die Kunden hauptsächlich über die fehlende SMS-Benachrichtung bei der Voicemail auf, oder die Welt-Roaming Tarife und was gibt’s neues von Simquadrat? Russische Telefonnummern. Das dürfte eher ein Feature sein, dass nicht die Masse anspricht.

Mein Vorschlag: nur noch sipgate Team anbieten und das um Privatkunden Features ergänzen… Also z.B. Rufnummern du Nutzer einzeln buchbar, statt in Blöcken – Nutzer so abgrenzen, dass sie gegenseitig keine Anrufprotokolle sehen, oder so ähnlich.

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Michael:

Sipgate kann bei einer negativen Entscheidung, die Bestimmungen anfechten. Innerhalb der fristen wohlgemerkt, womit es Sipgate ja nicht so wirklich hat. Beispiel: Abschaltung der T-Online 0180er, da hat Sipgate die Fristen zur Verlängerung versäumt und sich nicht mehr weiter gekümmert.

Sipgate hat viele gerichtliche Möglichkeiten, es gibt Gesetze, die eine bevorzugung von anderen Unternehmen untersagen. Wenn Sipgate nun weniger berechnen darf, kann Sipgate aber klagen, damit die anderen Anbieter auch weniger Gebühren bekommen. Das Stichwort dazu lautet: Wettbewerbswidrige Benachteiligung – Das ist selbst EU-Ebene Verboten.

Wir haben Sipgate-Team vor kurzem getestet und dabei blieb es auch. Viele unserer Lieferanten konnten wir nicht einmal aus dem Sipgate-Netz anrufen und das ist mir als Unternehmensleiter zu unsicher, da ich ja so nicht weiß, ob uns jeder Kunde auch wirklich anrufen kann.

Die Business-Produkte von Sipgate sind zwar alle gut und schön, aber was bringt es, wenn hier mal etwas nicht funktioniert und dort etwas nicht erreichbar ist.

Wenn man sich dann an den Support wendet, heißt es des öfteren, das es nicht Sipgates Schuld ist. (Obwohl Sipgate sich einfach mal mit den Leuten sprechen sollte und Störungen nicht sofort nach der behebung wieder von Twitter löscht.)

Der Gedanke hinter Sipgate und den dazu gehörigen Produkten ist toll, aber das Telekommunikationsgeschäft ist eines der kompliziertesten Geschäftsbereiche, bei denen es wirklich darauf ankommt, mit den Gegenparteien zu sprechen. Und wenn es fehlschlägt solange nerven, bis es klappt.

Bei Sipgate gibt es ein Problem, es werden Features gebastelt, die zwar Schick sind – jedoch von den wenigsten benötigt werden.

Anstatt irgendwelche neuen Sachen zu bauen, sollte sich Sipgate mehr auf die vorhandenen Produkte konzentrieren. Wie z. B. dass die SMS-Durchleitung bei den Simkarten endlich mal funktionieren würde…

Sipgate.at könnte es heute noch geben, aber Sipgate hat es dort verseumt, eine Prüfung der Adresse des Kunden einzubauen, sodass man selbst aus Deutschland eine Rufnummer aus Österreich erhalten hat, obwohl dies klar und deutlich geregelt ist, dass selbst VoIP-Rufnummern nur an AT-Bürger vergeben werden dürfen. Durch solches handeln, werden die ganzen Behörden erst hellhörig und das die dann sagen, es gibt keine Rufnummern mehr, ist voll verständlich. Ich könnte selbst mit einfalschen Adresse unter Sipgate Basic eine Rufnummer bestellen und es würde niemanden von Sipgate interessieren.

Sipgate, so langsam müsst Ihr echt mal etwas tun und nicht immer nur schreiben, wir sind das schwarze Schaf und alle wollen uns vom Markt haben!

…Dann klappt es auch mit der EU, nur kümmert Euch!

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